Ranzenpost 08: Geert de Vries

Liebe Eltern und Freunde unserer Schule,

am vergangenen Montag fanden sich Menschen im Festsaal zusammen, um gemeinsam unseres verstorbenen Kollegen Geert de Vries zu gedenken. Schülerinnen und Schüler seiner Klassen sangen sein Lieblingslied „Alles ist eitel“ und schilderten ihre Erlebnisse, Frau Eggenweiler und Frau Zarpellon berichteten als langjährige Kolleginnen aus ihrer gemeinsamen Waldorfzeit in Wangen.
Am Ende las Frau Eggenweiler allen Anwesenden den Brief seiner Tochter vor, den diese kurz nach seinem Tod an seine Schülerinnen und Schüler geschrieben hat.

Wir möchten Ihnen Auszüge dieser Beiträge nicht vorenthalten:

„Als mich die Nachricht von Herrn de Vries Tod erreichte, befand ich mich gerade in Frankreich. Obwohl die ganze Klasse schon seit längerer Zeit von seiner schweren Krankheit unterrichtet worden war, merkte man anhand der Reaktionen innerhalb der Klasse, wie schmerzlich dieser Verlust unseres ehemaligen Klassenlehrers für alle war und ist. Man hatte bis zuletzt die Hoffnung, ein Wunder würde geschehen, der Mann, welcher vor Energie und Lebensfreude nur so strotzte, würde den Kampf gewinnen. Als die Meldung kam, er wäre verstorben, musste man der Wahrheit ins Auge sehen, ein wichtiger Mensch unserer Schule und in unserem Leben ist nicht mehr.

Wir waren am Ende unseres 6. Schuljahres angelangt, als wir Herrn de Vries kennenlernten. Man sagte uns im Vorfeld, unser neuer Klassenlehrer käme diese Woche in den Hauptunterricht, um sich einmal vorzustellen. Also wartete die gesamte Klasse erwartungsvoll, wer denn gleich zur Tür hineinkommen würde. Wird es ein junger oder ein alter Lehrer? Ein strenger oder ein lustiger? Dann kam er: Der gemütliche, ältere Herr mit weißem Haar und einem Lächeln im Gesicht, wie ich noch nie einen Lehrer lächeln gesehen habe. Als er sich erst einmal auf Niederländisch vorstellte, sah man in der ganzen Klasse verschreckte Gesichter. Werden wir nun zwei Jahre von einem Lehrer unterrichtet, den wir nicht verstehen? Als sich herausstellte, dass man ihn sehr wohl versteht und er gerne Witze macht, lockerten sich die Gesichtszüge aller.

Es wurde sehr schnell klar, dass Geert de Vries mehr war als nur ein Lehrer. Er strahlte eine Unmenge Erfahrung und Gütigkeit aus, ein ehrgeiziger Lehrer mit klaren Prinzipien zwar, doch kaum ein zweiter legte je so einen Humor an den Tag, war so herzlich und vor allem: Kein zweiter schenkte einem Schüler in dem Alter ein solches Vertrauen.

Herr de Vries war mit Leib und Seele Lehrer, es war für ihn mehr als ein Beruf, es war sein Wille, viele Generationen von jungen Menschen auf ihrem Weg durch die Schule zu begleiten. Das hat man deutlich gespürt. Seine lockere Art, seine Einstellung gegenüber dem Leben, zwar stets fleißig zu sein, aber das eigentliche Leben nicht zu vernachlässigen, hat mich und vermutlich viele andere sehr geprägt. Ich bin froh, ihn als Lehrer gehabt zu haben, bei ihm gelernt haben zu dürfen, mit ihm auf zwei Klassenfahrten gewesen zu sein und sagen zu können, ich habe ihn in bester Erinnerung!
Geert de Vries, alles ist eitel, Sie aber bleiben!“

Elias (11B)

——–

Geert de Vries war Lehrer mit Leib und Seele. Er liebte seine Schülerinnen und Schüler und unterrichtete mit Enthusiasmus und Liebe. Als Fachkollegin konnte ich das immer wieder hautnah erleben.

Ein Mensch mit vielen Ideen, große Idealen und Mut zu Neuem.  Als frisch gebackene Waldorflehrerin einer 3. Klasse von Geert erinnere ich mich an folgende Begebenheit:
Vor der Hausbauepoche kam er zu mir und sagte: „Ich will mit meinen Schülerinnen und Schülern eine Jurte bauen, aber nicht eine kleine, eine große Jurte! Ich will mit damit auf Klassenfahrt gehen und wir sollen alle darin schlafen können!“. Und so bauten wir begeistert eine Jurte. Dann ging es mit seiner 3. Klasse auf Klassenfahrt an einen See in der Nähe von Wangen im Allgäu und wir verbrachten dort drei Tage und drei Nächte.

Auch an seine Klassenkonferenzen erinnere ich mich lebhaft: Es war für mich immer lehrreich und intensiv, wie Geert von seinen Schülerinnen und Schülern erzählte. Es war zu spüren, wie tief und innig er mit ihnen verbunden war.

Er liebte die Jahresfeste, ganz besonders Michaeli, wo für ihn Mut als Tugend im Vordergrund stand. Das sollten die Kinder hautnah erproben und erleben.

Unvergesslich auch sein andächtiger Nikolaus, sein würdiger Gottvater im Paradeis-Spiel oder auch der böse Wirt im Christgeburt-Spiel. Seine Lesekreise mit Eltern waren fester Bestandteil innerhalb der Schulgemeinschaften. Er widmete sein Leben voll und ganz der Waldorfpädagogik und ich habe viel von ihm lernen können. Ich bin dankbar, dass Geert ein Stück meines Lebens begleitet hat.

Wanda Zarpellon

———

Liebe 8. Klasse,
liebe ehemalige Schülerinnen und Schüler von Geert de Vries,

mein Vater machte es entweder ganz oder gar nicht und auch diesmal war der Prozess mit voller Kraft. …
Ganz viel Post hat ihn im Krankenhaus und hier erreicht, die er voller Freude vorgelesen bekam. Ihn besuchten Schüler aller Jahrgänge, die sich mit Begeisterung, Humor und Dankbarkeit an die Schulzeit zurückerinnerten.

Nach zwei Wochen sehr intensiver und toller Momente bei uns zuhause kam mein Vater nach Wangen ins Hospiz, wo er am Sonntag den 31. Oktober um 7.45 Uhr verstarb.

Besonders – und manchmal auch mit derbem Humor – konnte er über alles sprechen und wollte gerne sterben. Mit viel Dankbarkeit blickte er auf sein Leben zurück. Und er wäre nicht „Vriesi“, wenn er nicht bis zuletzt seine Ansagen machen würde: „Nichts Sentimentales, kein Geheule, bitte feiert ein Fest, denn ich hatte ein gutes Leben.“

Ganz liebe Grüße,
seine Tochter Fiona Schön